Der Junge Gerhard Richter
< HOME

Wien war immer schon ein Schmelztopf der Nationen. Aber es gibt Wiener und Urwiener. Wenn man z.B. einen Fiaker als Urgroßvater hat, der Vater aus Sachsen stammt, mütterlicherseits Wessely heißt, man sogar mit der berühmten Paula Wessely verwandt ist und vielerlei Talente hat, dann kann man schon von der Spezies eines Urwieners sprechen, so Gerhard Richter, Doktor der technischen Chemie, als Wissenschaftler u.a. Mondsteinuntersucher der NASA, Brechtianer, Science-Fiction-Experte, Schauspieler, Präsident von "Cumann Céili Vin", einer irischen Tanzgruppe, Abteilungsleiter bei der ÖMV und mit Herbert Janata einer der Frontmen der Worried Men Skiffle Group. Gerhard Richter wurde am 26.4.1943 in Wien geboren, ging da in die Schule und bekam im Jahre 1955 eine Gitarre geschenkt. Doch anstelle fröhliche Gstanzeln oder Wanderlieder zu spielen, stellte er bereits nach einem Jahr die Gitarre wieder in das Eck und kramte sie mit 16 wieder hervor und lernte die Akkorde C, F und G. Nahezu alle gängigen Songs konnte er damals mit diesen umfassenden Kenntnissen spielen. Und er begann sich mit der, damals so genannten, "Negermusi" zu beschäftigen und war in Sache der Country-music und des Blues ein Frühberufener. Er lebte in der amerikanischen Besatzungszone und saugte die Musik der amerikanischen Befreier, später Besatzer genannt, gierig auf. Kaugummi war in und neu und die Klänge von Benny Goodman, Glenn Miller, Louis Armstrong, Chris Barber und die heitere Musik von Lonnie Donegan und die von Pete Seeger, war das Gegenteil der Melancholie des "Brunnens vor dem Tore" oder "Hallo Dienstmann".Gemeinsam mit seinem Schulfreund Arthur Przyborski, einem polnisch adeligen Musikgenie, das Klavier, Fagott und Klarinette beherrschte, spielte er in der Schulband. Geprobt wurde entweder in der elterlichen Wohnung, einem Freiraum, der von seinem Bruder, dem späteren Doktor der technischen Physik, trotz des gemeinsamen Zimmers, streng abgegrenzt war. Auf der einen Seite des Raumes herrschte Penibilität und auf der anderen gepflegte Kreativität.Die Mutter eine alte und "gstandene" Sozialistin lehrte Gerhard schon früh den Respekt vor dem Anderen und sein konservativer Vater, der nicht sächselnde Wiener Sachse aus dem Bauernmilieu, von Beruf Tischler, sorgte für die rechten Verhältnisse
Er war zur Zeit des 2. Weltkrieges Berufsunteroffizier, Spieß bei einer Einheit, also Kompaniemutter, und blieb der Liebe wegen in Wien hängen. Er war ein überaus gütiger und hilfsbereiter Mensch und das Gegenteil eines Komisshengstes. Er war eine Fundgrube von Kriegsgeschichten und schilderte glaubhaft dass er sich, immer dann wenn es um den Menschen an sich ging, sogar über Befehle hinwegsetzte. So sollte er bei Kriegshandlungen einen jugoslawischen Partisanen stante pedes standrechtlich erschießen. Anstelle dessen schoss er in die Luft und veranlasste diesen zu fliehen. Wie es das Schicksal will, war dieser gerade jener, der nach dem Ende des "Tausendjährigen Reiches", das in Österreich gerade sechs Jahre währte, der in Wien Aufenthaltsgenehmigungen verteilte. Er erkannte seinen Lebensretter wieder und erteilte Gerhard Richters Vater die Aufenthaltsbewilligung. Der Vater war ein fleißiger Mann, arbeitete als Tischler und Möbelbauer rund um die Uhr, und ermöglichte seinen beiden Söhnen eine gediegene Ausbildung.Dann, eines Tages, man schrieb das Jahr 1960 klingelte es an der Türe der elterlichen Wohnung von Gerhard Richter. Es waren zwei hoffnungsfrohe Knaben die in eine Probe platzten und fragten: "Kema mitspün?" Dies war damals so üblich. Die beiden Burschen waren Hermann Düll, der damals einen selbst gebastelten Häfenbass spielte und Herbert Janata, der "zwei Griffe mehr" (O-Ton H. Janata) auf der Gitarre beherrschte. Sie spielten den ganzen Nachmittag und "es klang so wunderbar", dass sie beschlossen, noch am selben Abend im Jugendclub Twen, der sich hinter dem Moulin Rouge, im 1. Wiener Gemeindebezirk befand, um je ein Glas Coca Cola aufzutreten. Doch als man sie fragte, wer sie seien, beschlossen sie sich nach dem einzigen Lied, das sie damals wirklich beherrschten "it takes a worried man to sing a worried song!" "Worried Men" zu nennen.1962 wurde in Willi Kraliks TV-Show "Junge Leute von heute" die Gruppe erstmalig einem größeren Publikum vorgestellt. "He never said a mumbelin' word" spielte die Besetzung Gerhard Richter, Gitarre, Herbert Janata, Gitarre, Bruno Mamoli, Banjo, den Häfenbass bediente Gottfried Verdatsnik, Wolfgang Reiterer rumpelte auf dem Washboard und Arthur legte mit seinem Fagott die Groove.


<< HOME >>
spaceSEITE 2 >

Dies war eine Besetzung, die später nie mehr zu hören war, obwohl der Showbeitrag wohlwollend goutiert wurde. Gerhard Richter spielte parallel zu seinen musikalischen Ambitionen bei den Komödianten am Börseplatz kleine Rollen und schuf mittels seiner Musik Atmosphäre. Als der Ruf zu den Fahnen des Vaterlandes erfolgte, besann er sich auf die Soldatengeschichte seine Vaters, einem quasi sächsischen Schwejk, und verbrachte als Soldat drei soldatische Tage als Mustersoldat beim Militär. Bereits am zweiten Tag wurden bei ihm nach dem Genuss einer halben Flasche Gin, die er "ex" lehrte, Sehstörungen festgestellt und der Militärarzt konstatierte, nach einem Blick in die leicht geröteten Augen Richters, dass sich beim Jäger Gerhard Richter die Netzhaut allmählich abzulösen beginne. Mit allen militärischen Ehren wurde er daraufhin als B-tauglich eingestuft und aufgrund des entsprechenden Geburtenüberschusses vom Militärdienst befreit. Bleibende Spuren hinterließ sein Kompaniekommandant als der ihn fragte: "Wia schaun denn se aus?" Ihm wurde einige Jahre später der Gerhard Richtersong: "Der schenste Maun von Wien!" gewidmet, den er mit seinen Mitstreitern, der Worried Men Skiffle Group, intonierte.Die Struktur der Worried Men veränderte sich damals häufig. Arthur, der zahlreiche Arrangements schrieb, bekam massive gesundheitliche Probleme und schied aus. Felix Possak ein genialer Fivestring-Banjospieler, dessen Triolen berüchtigt waren, stieß zur Gruppe und von der Storyville Jazzband kam 1964 Günter "Blesh" Dinold. Hermann Düll wechselte auf das Washboard, das er virtuos beherrschte und schrieb mit seinem Spiel Geschichte. Seine samtbraunen Augen ließen so manche Dame dahinschmelzen und als charmanter Olivettivertreter konnte er gekonnt becircen. Manchmal spielte auch der Jazzgeiger Franz Bilik mit ihnen.Ab 1966 einigte man sich auf eine entsprechende Salonkleidung und spielte ab da nur noch in großbürgerlichem Frack und Zylinder, die im krassen Gegensatz zur schrägen Musik standen, die sie boten.Von da an bis 1969 konzertierten Gerhard Richter und die Worried Men regelmäßig im Jazz Club Riverboat und hatten u.a. immer wieder Konzerte im Porrhaus, in der Treitlstraße - heute Technische Universität.

spaceSEITE 2 >
Gerhard Richter Copyright by Gotthard Fellerer-BravDa2008/1 - HTM-Version by wagners-web.at